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„Homeschooling“ – Die Geschichte aus einem fremden Schulsystem

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Quelle NHAD GmbH

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Ein Interview mit der US-Amerikanischen Studentin Savannah Fortis

Köln, Januar 2016. In Deutschland herrscht Schulpflicht, wodurch unser Gesetz den Heimunterricht, abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, wie zum Beispiel Behinderung, Krankheit oder Auslandsaufenthalt der Eltern, als illegal klassifiziert. Im Jahr 2013 entfachte in Deutschland zu diesem Thema eine Diskussion, als man über Familie Wunderlich berichtete, die gesetzeswidrig ihre Kinder Zuhause unterrichtete. Daraufhin verurteilte das Gericht die Eltern, obwohl man die Kinder nach mehrfachen psychologischen Tests als sozial kompetent sowie überdurchschnittlich intelligent einstufte, zu einer niedrigen Geldbuße.

In Deutschland setzen wir uns aufgrund des Status quo verglichen mit den Nachbarländern Österreich, Frankreich, aber auch den USA wenig mit dem Thema auseinander.
Im Jahre 2009 legalisierte man den Heimunterricht in allen Bundesstaaten der USA. Dort werden rund 3,5% aller Schulkinder daheim unterrichtet, was einer Anzahl von insgesamt 1,77 Millionen Kindern entspricht. Eine beachtliche Summe. Dieses System funktioniert dort gut, jedoch bemängeln Kritiker hierzulande, dass Heimunterricht mangelnde soziale Kontakte und Kompetenzen hervorrufen könnten. Sie warnen vor „fehlendem Lebensbezug“.

In Deutschland bleibt die Neugier über ein System, welches vielen fremd erscheint, im Ausland jedoch Gehör findet. Die Fernschule NHAD war neugierig und befragte zu dem Thema die US-amerikanische Studentin Savannah Fortis (19), welche selber während Ihres Aufenthaltes in Österreich einen Fernkurs bei der NHAD absolvierte.

  1. Hallo Savannah, zuallererst stellt sich für mich die Frage, warum du dich für das sogenannte „Homeschooling“ entschieden hast? Welche Rolle spielten deine Eltern dabei?

    Als ich auf das Gymnasium kam, bemerkte ich, dass der Heimunterricht für mich persönlich die richtige Lernmethode ist. Dadurch, dass ich sehr musikinteressiert bin, gab mir der Heimunterricht die Möglichkeit, individuell Inhalte zu erarbeiten und diese um meine Interessen aufzubauen. Egal welche Interessen man hat, es lässt sich alles in den Heimunterricht einbinden, was meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Außerdem war ich über dem Niveau der öffentlichen Schulen, wollte mehr und schneller lernen. Daher entschied ich mich dazu, die Lerninhalte in einem eigenen Tempo zu erarbeiten.  Ein weiterer Anreiz lag in der Möglichkeit, bei schnellem Arbeitstempo früher das College zu besuchen, was ich schlussendlich schaffte. Ich beendete die Schule bereits mit Ende 15.
  2. Wie sah ein typischer Tag bei dir aus?
    Ein typischer Tag sah so aus, dass ich ein Fach aus meinem Programm wählte, welches ich behandeln wollte und es dann lernte. Anschließend ging ich am Nachmittag zur Musikschule, absolvierte dort auch Unterricht. Um den Sportunterricht zu kompensieren, ging ich an einigen Tagen schwimmen oder spielte Tennis. Die Pausen genoss ich besonders, da ich flexibel war – so konnte ich essen, fernsehen, auf meinem Trampolin springen oder ein Picknick machen und dazu ein Buch lesen.
  3. Wie hat das gesamte „Programm“ genau funktioniert? Wurden dir die Materialien von deinem Gymnasium zugesendet?
    Es funktioniert folgendermaßen: Man wählt sich selber einen Studienplan (Curriculum) für den Unterricht aus, hat dann zwei Möglichkeiten. Entweder man absolviert den Unterricht von zu Hause aus am Arbeitstisch mit Büchern oder online am Computer. Die Schule versendet dann Computer, Bücher und kommuniziert mit Lehrern und Schülern via Skype. Mein Bruder machte Online-Unterricht, da er wie viele Leute Schwierigkeiten hat, selbständig und diszipliniert zu arbeiten.
    Ich hingegen nahm an einem Programm teil, wo ich die Fächer, die mir persönlich entsprachen, frei wählte. Jede zweite Woche besuchte mich ein Lehrer mit einer Checkliste an Inhalten, die ich bis dahin abarbeiten musste.
  4. Wie reagieren die Leute in deinem Umfeld, wenn sie davon erfahren, dass du von zu Hause gelernt hast? Gibt es Vorurteile?
    Es gab Vorurteile. Doch wie wir alle wissen sind die USA ein Land, in dem gewisse Dinge zu einem Zeitpunkt einfach populär werden. Dies war überraschenderweise mit Heimunterricht der Fall, welcher heutzutage fast schon „cool“ ist. Früher hätten Leute dies verurteilt, vor allem weil einige Kinder, die daheim unterrichtet wurden einen Mangel an sozialen Kompetenzen zeigten.
    Doch das Blatt hat sich gewendet, „Homeschooling“ funktioniert erfolgreich, die Popularität nimmt zu. Persönlich habe ich das Gefühl, dass die Eltern ihre Kinder mehr denn je aus Schulen rausnehmen, um sie zu Hause zu unterrichten. Wenn meine Mutter zum Beispiel auf meine „Schulzeit“ zurückblickt bemängelt sie nur, dass wir nicht auch in der Grundschulzeit daheim unterrichtet wurden.
  1. War es schwer, soziale Kontakte zu knüpfen, da du selten / nie in der Schule warst?
    Neben dem Heimunterricht besuchte ich parallel die Musikschule und arbeitete nebenbei. Daher bereitete es mir keine Problem, Kontakte zu knüpfen oder mir soziale Kompetenzen anzueignen.
  2. Was sind die Nachteile des Homeschoolings?
    Ich habe es wirklich geliebt und sehe keinen Nachteil.
    Doch ich kann mir vorstellen, dass einige Menschen Nachteile sehen, vor allem wenn man nicht so diszipliniert und selbständig arbeitet. Heimunterricht ist eine Gewohnheitssache. Wer erst im Gymnasium mit dem Heimunterricht anfängt hat es schwerer, als jemand, der dieses System seit Besuch der Grundschule kennt, auch im Hinblick auf das Knüpfen von sozialen Kontakten. „Ein individualisiertes Schulsystem“
  1. Was sind die Vorteile?

Mit Sicherheit die Flexibilität, die der Fernunterricht mit sich bringt.  Man kann den Unterricht individuell an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Viele Schülerinnen und Schüler haben Probleme mit der Art und Weise, wie Lehrer einzelne Inhalte vermitteln. Dazu können Sie sich an die Geschwindigkeit des Unterrichts nicht anpassen, sei er zu schnell oder zu langsam. Es gibt viele langweilige, monotone Fächer, welche den Interessen des Kindes einfach nicht entsprechen. Mit Heimunterricht kann man einen „persönlichen Touch“ zu jedem Fach hinzufügen. Jugendliche befinden sich häufig in dem Dilemma, dass sie nicht wissen, was sie eines Tages machen möchten. Das Homeschooling liefert durch die individuelle Entwicklung des Kindes die Antwort darauf. Meiner Ansicht nach ist Unterricht von zu Hause aus ein individualisiertes Schulsystem für jedes Kind und ich schätze mich glücklich, ein Teil dieses Systems gewesen zu sein und dieses Umfeld erlebt zu haben.

  1. Verrate uns den Schlüssel zum Erfolg, wenn man von zu Hause aus lernt.
    Zum einen braucht man Eltern, die Unterstützung leisten. Sie müssen die Initiative ergreifen, ein gutes Programm zu finden und das Kind dabei betreuen. Außerdem ist es wichtig, ein angemessenes Programm zu finden, welches auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes zugeschnitten ist. Natürlich muss man außerdem selbständig und diszipliniert sein, doch unterstützende Eltern und ein passendes Programm stellen die Basis.
  2. Bist du der Meinung, dass sich das Fernlernen in Zukunft als Trend weiterentwickelt oder Potenzial hat, eines Tages mal Schulen zu entlasten?
    Gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, in welche Richtung sich dieses System in Zukunft entwickelt, da auch einiges von Faktoren, wie Politik sowie gesellschaftlichem Wandel abhängt. Doch ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft einen Trend vonseiten der Eltern geben wird, die den Wunsch verspüren ihre Kinder daheim zu unterrichten.

Eigenständiges, erfolgreiches Heimlernen gehört im Ausland, wo man bereits vor einigen Jahren juristische Barrieren aufhob, zur Realität. Ein einst undenkbares Konzept findet so langsam auch in Deutschland Gehör, wo der Heimunterricht de jure immer noch illegal ist. Das liegt zum einen an der steigenden Popularität, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch im Nachbarland, der Schweiz, wo der Anteil der daheim unterrichteten Kinder zunimmt. Zum anderen erweist sich der Heimunterricht im Ausland als funktionierende sowie legitime Alternative zu Grundschulen und sekundären Bildungseinrichtungen. In Deutschland sind bislang nur Fernschulen wie die NHAD die einzigen Bildungseinrichtungen, wo sich individuelles Lernen gepaart mit zeitlicher Flexibilität vereinbaren lassen.
Autor und Interviewer: Sven Wilkens – Werkstudent bei der NHAD GmbH